Monika (39) ist mir durch Posts auf LinkedIn aufgefallen, wir haben aber auch einige private Schnittpunkte entdeckt. Im Interview hat Monika einerseits ihre persönlichen Erfahrungen als berufstätige Mutter mit mir geteilt und andererseits über viele berufliche Aspekte aus ihrer Karriere und aus ihrem Unternehmen gesprochen. Die Perspektive einer Feministin: Ich empfehle das Interview allen Frauen, Männern, Vätern, Müttern, Human Resources Menschen, Pädagog:innen, usw. Einfach lesen!
Monika, mir ist auf LinkedIn schon einige Male aufgefallen, dass du eine öffentlich bekennende Feministin bist und dir Gender Equity und Diversity allgemein wichtig sind. Kannst du beschreiben, warum diese Themen für dich eine zentrale Rolle spielen?
Monika: Angefangen hat das in meiner Zeit im Gymnasium, wo ich aufgrund meiner weiblichen Rundungen – die für mich nie ein Problem waren – immer wieder verbal angegriffen bzw. angesprochen wurde. Und das nicht nur von Mitschülern, sondern auch von Lehrern. Da habe ich angefangen, mir darüber Gedanken zu machen, dass Frauen anders behandelt werden als Männer. Als ich Mutter wurde, hatte ich sehr viele Erlebnisse, die diesen Eindruck verfestigt haben, und der Wunsch in mir wurde immer lauter, diese Ungleichheit auch anzusprechen und etwas verändern zu wollen.
Teilst du einige der genannten Situationen mit uns? Ich mag es gern, alte Rollenbilder und Stereotype anzusprechen, weil ich überzeugt bin, dass das ein wichtiger Schritt für Veränderung ist.
Gern! Nach der Geburt meines ersten Kindes war ich im Krankenhaus überfordert und z. B. beim Wickeln sehr unsicher. Mein Partner damals hatte aufgrund seiner Nichten und Neffen Erfahrung mit kleinen Kindern und war sehr souverän. Aber ganz viele Menschen, angefangen von den Krankenschwestern bis hin zu unseren Verwandten, haben ihm den Umgang mit unserem Baby nicht zugetraut und es ihm immer wieder aus den Händen genommen. Nach meiner Elternzeit habe ich im gleichen Unternehmen gearbeitet wie mein Mann und es wurde immer hinterfragt, wenn er statt mir Pflegeurlaub für unsere Kinder in Anspruch genommen hat. Später haben die beiden gern mit Autos gespielt: Meine Tochter wurde immer gefragt, ob sie nicht lieber etwas anderes spielen möchte, mein Sohn wurde gelobt und mit „Super, der wird einmal Techniker“ kommentiert. Wir sind im Kindergarten so unglaublich vielen Stereotypen begegnet. Das hat uns als Eltern dazu gebracht, uns auf die Beine zu stellen und immer wieder den Status quo zu hinterfragen, um zumindest im Kleinen etwas zu bewegen.
Wie geht es dir als Mutter von zwei Kindern im Job? Wirkt sich das Muttersein auf deine Karriere und deine Jobchancen aus?
Ja, definitiv. Als ich nach der Elternauszeit wieder zu arbeiten beginnen wollte, war die Jobsuche echt schwierig, da es so gut wie keine Jobs für Akademikerinnen mit 32 Wochenstunden gab. Aktuell arbeite ich Vollzeit. Und selbst in meiner Bubble mit gut ausgebildeten Freundinnen werde ich oft gefragt, wie ich das schaffe. Tatsächlich ist es so, dass ich den Job weniger anstrengend finde als das zu Hause sein. Außerdem ist es mir wichtig, dass ich finanziell unabhängig bin, jetzt und vor allem auch, wenn ich in Pension bin. In meinem Umfeld bzw. auch bei uns im Unternehmen gehen sehr viele Männer in Väterkarenz – aber sie gehen eben ein oder zwei Monate, den Großteil gehen die Frauen. Wenn die Frauen nach einem Jahr zurückkommen, dann in Teilzeit. Dieses Schema finde ich sehr problematisch.
Welche Verantwortung siehst du hier bei Unternehmen? Ist es ausreichend, wenn Unternehmen Rahmenbedingungen schaffen, um z. B. Frauen die Rückkehr nach der Karenz zu erleichtern und anspruchsvolle Jobs auch in Teilzeit anbieten?
Das reicht meiner Meinung nach nicht aus. Ich plädiere grundsätzlich dafür, dass sich die Rahmenbedingungen für Familien ändern müssen, nicht nur für Frauen. Einerseits wünsche ich mir, dass das Muttersein nicht so idealisiert wird und Frauen nicht so unter Druck gesetzt werden, eine perfekte, aufopfernde Mutter sein zu müssen. Andererseits braucht es nicht nur andere Rahmenbedingungen in Unternehmen, sondern insgesamt andere Strukturen. Wenn der Arbeitgeber z. B. fördert, dass eine Frau nach einem Jahr Elternzeit in Teilzeit zurück ins Unternehmen kommen kann, aber kein Kinderbetreuungsplatz zur Verfügung steht, hilft das auch nichts. Für mich sind das also drei wichtige Schauplätze, um wirklich Veränderung zu ermöglichen: Unternehmen, öffentliche Strukturen und das Stigma, dass ein Kind zur Mutter gehört. In meiner perfekten Welt hätten wir sechs Monate Pflichtkarenz für Männer und sechs Monate für Frauen. Das würde die unterschiedlichen Jobchancen und Karrierewege aufheben, weil dann wäre jeder 30-jährige Mann bei einer Jobbesetzung genauso „gefährlich“ wie eine Frau.
Du arbeitest im HR Team eines progressiven Unternehmens, das sehr modern, offen und international auftritt. Wie handhabt ihr das? Welchen Stellenwert hat Diversität im Unternehmen? Wird das Thema aktiv verfolgt?
Unser Unternehmen ist im Vergleich sehr divers: Wir beschäftigen Menschen aus mehr als 40 Nationen, wir machen keinen Unterschied in Bezug auf sexuelle Orientierung, usw. Aber als wir uns vor mehreren Jahren konkret mit Diversity auseinandergesetzt haben, kamen wir zu dem Ergebnis, dass z. B. Gender dennoch sehr klassisch verteilt war – Marketing weiblich, Tech männlich – und im Management hauptsächlich österreichische Männer saßen. Um die Vielfalt unserer Belegschaft auch in der Führungsetage abzubilden und insgesamt das Thema Diversity strategischer zu verfolgen, haben wir ein Diversity Management aufgebaut. Der Zusammenschluss mit adidas hat diese Entwicklung nochmal befeuert. Wir setzen Themenschwerpunkte wie z. B. Pride Month oder Body Positivity, alle Mitarbeiter:innen müssen ein Diversity Training absolvieren, wir gestalten unser Recruiting diverser, um Vielfalt ins Unternehmen zu holen. Wir haben außerdem eine Metric entwickelt, die den Erfolg unserer Maßnahmen misst und mittlerweile zum Firmenziel geworden ist. Wir messen die Mitarbeiterzufriedenheit, das Zugehörigkeitsgefühl und den Desired State of Inclusion. Und wir setzen uns mit der Leadership Ratio auseinander: Wir haben 55 % internationale Mitarbeiter:innen, aber haben wir auch 55 % internationale Führungskräfte? Ich fühle mich extrem wohl im Unternehmen, weil wir das Thema wirklich ernst nehmen!
Was ist dir in der Erziehung deiner Kinder wichtig? Hast du das Gefühl, dass in den Schulen Wert auf eine genderneutrale Ausbildung gelegt wird? Gibt es gezielte Maßnahmen, um Burschen und Mädchen ein Bewusstsein für Gleichberechtigung zu vermitteln und sie genderneutral an mögliche Berufsfelder heranzuführen?
Mir ist es sehr wichtig, meine Kinder – ich habe eine Tochter und einen Sohn – gleichberechtigt zu erziehen und ihnen ein Bewusstsein für Diversität mitzugeben. Meine Kinder gendern zum Beispiel, auch im Gymnasium wird gendergerechte Sprache verwendet. Meine Tochter meinte vor Kurzem zu mir „I don’t like the song ‚Girls just wanna have fun‘ because boys also want to have fun.“ Darauf bin ich stolz. Sie ist zufällig in einer reinen Mädchenklasse, da sich keine Burschen für den Chorschwerpunkt entschieden haben. Das finde ich insofern super, als immer wieder gelesen habe, dass in getrennten Klassen beide Geschlechter profitieren. Es gibt ja das Vorurteil, dass Mädchen schlechter in Naturwissenschaften und Burschen schlechter in Sprachen sind. In getrennten Klassen fallen diese unbewussten Bias der Lehrpersonen weg und beide Geschlechter werden objektiver beurteilt. Natürlich ist der Kontakt untereinander wichtig und das hat meine Tochter in der Nachmittagsbetreuung, wo Burschen und Mädchen zusammen sind, bzw. auch in ihrer Freizeit. Ein konkretes Angebot zur Sensibilisierung und für Female Empowerment fehlt meiner Ansicht nach in Schulen.
Blickst du für deine Kinder optimistisch in die Zukunft?
Ja, auf jeden Fall. In meiner Wahrnehmung bewegt sich gerade viel: im Bereich Body Positivity, die Shapes sind viel diverser geworden. Mit Homosexualität bzw. allgemein Sexualität wird viel offener umgegangen. Ich denke, dass eine offenere und diversere Welt auf unsere Kinder wartet. Was enorm gut ist in Anbetracht der vielen anderen Herausforderungen, die es zu meistern gilt.