Mariann ist eine beeindruckend leidenschaftliche und präsente Frau. Dass sie beruflich in den Bereichen People Experience und Employer Branding unterwegs ist und sich stark mit Diversity, Equity und Inclusion auseinandersetzt, macht ihre Perspektive besonders spannend für alle, die sich Inspiration für ihren Job holen wollen. Im Interview haben wir über Marianns Erfahrungen und ihre Motivation gesprochen.
Mariann, ich freu mich, dass du dich auf meinen Interviewaufruf gemeldet hast und bin gespannt auf deine Perspektive. Warum beschäftigt dich das Thema Diversity? Welche beruflichen und/oder privaten Aspekte verbindest du damit?
Mariann: Ich habe für mich festgestellt, dass das, was mich antreibt, sehr oft auf einer persönlichen Ebene startet. Nach und nach kristallisiert sich dann heraus, wie die Themen auch in mein Berufsleben hineinspielen bzw. wie ich mich beruflich aufstelle, um die Themen verfolgen zu können. Bezogen auf das Thema Diversity war mein Einstieg, dass ich vor etwa zehn Jahren von Ungarn nach Österreich gekommen bin. Für mich ist es sehr wichtig, zu verstehen, dass nicht jeder Mensch die gleiche Lebensqualität gewohnt ist und Herkunft eine prägende Dimension darstellt. Von daher beschäftige ich mich seit vielen Jahren mit Integration und Inklusion. Das hat dazu geführt, dass ich mich auch im Job nur dann persönlich wiederfinden kann, wenn ich in einer sehr diversen Community unterwegs bin. Ich brauche ein Umfeld, in dem verschiedene Menschen und Meinungen aufeinandertreffen können.
Was machst du beruflich? In welchem Berufsfeld hast du diese Möglichkeit gefunden?
Als Vertreterin von People Experience und Employer Branding unterstütze ich Unternehmen dabei, durch Marketing- und Kommunikationsinstrumente, Veranstaltungen und Initiativen Talente anzuziehen, zu engagieren und zu binden. Im Hinblick auf den Fachkräftemangel können es sich Arbeitgeber*innen meiner Meinung nach gar nicht erlauben, nicht auf Details zu achten und einen breiteren Blick auf Kandidat*innen zu haben. Das macht den Unterschied – und zwar nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Sätze wie „Diversität treibt das Business“ höre ich sehr oft, wenn es um Customer Experience und Customer Satisfaction geht. Es ist aber auch essenziell, was das Unternehmen für die eigenen Mitarbeiter*innen umsetzt. Wenn seitens Arbeitgeber*in die Chance besteht, sehr verschiedene Menschen einzustellen, dann ist das der erste wichtige Schritt. Als Nächstes gilt es dann zu überlegen, was für diese bunte Community gemacht wird, um Inclusion und das Gefühl von Belonging zu fördern. Diversity, Equity, Inclusion und Belonging bilden für mich gemeinsam gedacht das „big picture“. Das ist der Schlüssel für das Engagement der Mitarbeiter*innen. Ich bin überzeugt, dass Menschen immer „engaged“ sind, wenn sie sich zugehörig fühlen und involviert werden. Das erlebe ich auch jeden Tag. Dank engagierter Mitarbeiter*innen ist es möglich, zufriedene Kund*innen zu haben und zu halten. Meine Mission ist es, Führungskräften und Entscheidungsträgern zu zeigen, dass die Employee Experience einen direkten Einfluss auf das Kundenerlebnis hat und dass es entscheidend ist, die Employee Experience und die Arbeitgebermarke in Einklang zu bringen.
Kannst du näher beschreiben, wie dein Umfeld gestaltet ist? Was macht für dich ein diverses Team aus?
Ich habe das große Glück, mit sehr unterschiedlichen Menschen aus sehr unterschiedlichen Kulturen zu arbeiten. Wir erleben und pflegen eine „remote-first“-Kultur am Arbeitsplatz, und wenn wir Zeit im Büro verbringen, ist das immer etwas Besonderes. Wenn die Kolleg*innen zum Beispiel Kuchen mit ins Büro bringen – ein erstes kleines Zeichen dafür, dass sie sich zugehörig fühlen und sich wohlfühlen -, dann sieht man sofort, wie unterschiedlich diese Kuchen sind. Und das ist natürlich als Metapher zu verstehen. Bei uns haben die Kolleg*innen die Möglichkeit, sich nicht nur im Büro, sondern auch online zu unterhalten und viel voneinander zu lernen. Oft nehme ich aus solchen Gesprächen etwas mit, das ich in meiner beruflichen Rolle nutzen kann. Damit werde ich erfolgreicher und im Endeffekt profitiert davon das Unternehmen. Zu dieser Vielfalt in unserem Wiener Büro kommt noch die Zusammenarbeit mit den Büros in anderen Ländern, z. B. in London oder New York. Wir treffen uns zwar oft nur remote, aber ich schätze diesen Austausch sehr. Wenn ich für diese Communities weltweit arbeiten will, dann muss ich auf jeden Fall die kulturellen Unterschiede verstehen. Selbst im Bereich Diversity und Inclusion sind die Bedürfnisse anders. Das finde ich sehr spannend. Dass ich mich einfühlen kann, sehe ich als meine Superpower. Wenn wir uns als Unternehmen in die Mitarbeiter*innen hineinversetzen können, macht das den Unterschied. Schließlich sollte das Engagement der Mitarbeiter*innen eine gemeinsame Anstrengung und ein gemeinsames Ziel sein.
Wenn du deinen jetzigen Arbeitgeber mit früheren beruflichen Stationen vergleichst, wo liegen die großen Unterschiede?
Ich habe die Themenfelder Employer Branding, Employee Experience und People & Culture auch schon in mehreren anderen Unternehmen in der Tech-Branche verfolgt, wo das Team in Bezug auf Alter und Nationalitäten viel homogener aufgestellt war. Die Zusammenarbeit hat meistens auch gut funktioniert, aber es wurden doch ziemlich ähnliche Aspekte diskutiert. Das Verständnis für andere Sichtweisen, andere Kulturen, etc. war zwar da, aber Maßnahmen wurden deutlich langsamer implementiert. Ich habe ein konkretes Beispiel von einem Arbeitsplatz, an dem die Sprache recht homogen war. Dort gab es den allgemeinen Ansatz, Englisch als Unternehmenssprache zu verwenden. Das war eine Policy, aber sie wurde nicht wirklich gelebt. Wir hatten in diesem Unternehmen sehr oft die Situation, dass Expats das Gefühl hatten, dass die anderen extra wegen ihnen darauf achten mussten, die Sprache zu wechseln. Wenn ich das mit meinem jetzigen Arbeitgeber vergleiche, da ist das Umfeld so divers, dass wir einfach alle miteinander Englisch sprechen und nicht darauf achten, ob vielleicht gerade nur Deutschsprache miteinander kommunizieren. Das fühlt sich einfach anders an. Und die Sprache ist nur ein kleines Detail.
Kannst du beurteilen bzw. hast du eine Idee, warum dein jetziger Arbeitgeber so divers aufgestellt ist?
Die Firmenkultur ist sehr offen, unser Recruiting sucht z. B. überall nach neuen Mitarbeiter*innen. Und vielleicht liegt es an der Natur unseres global ausgerichteten Business. Wir agieren stark danach, wo und wie unsere Kund*innen sind. Da ist es natürlich von Vorteil, wenn wir im Team verschiedene Sprachen sprechen und unterschiedliche Kulturen kennen. Ich denke auch, dass ein diverses Team über Empfehlungen dazu neigt, noch mehr Diversität ins Boot zu holen. Der Culture Fit ist für viele Unternehmen super wichtig – in homogenen Teams bedeutet das aber meistens auch, dass immer die gleichen Typen rekrutiert werden. Den Begriff „Culture Add“ finde ich daher viel besser: Dabei geht es um die Wahrscheinlichkeit, dass jemand nicht nur die Werte des Unternehmens widerspiegelt, sondern auch unterschiedliche Meinungen, Erfahrungen und Fachkenntnisse einbringt, die nicht nur das Team, sondern auch die gesamte Unternehmenskultur bereichern. Ich sehe Unternehmenswerte mehr als Kompass, denn als strikte Vorgabe.
Ich weiß nicht, ob ich das richtig interpretiere. Wenn du an sehr traditionelle Unternehmen mit Hierarchien und patriarchalen Strukturen denkst. Meinst du, ist es in diesem Umfeld vergleichsweise schwieriger, Maßnahmen für mehr Diversität und Inklusion zu setzen?
Ja, auf jeden Fall. Nicht „der Norm“ entsprechende Kolleg*innen fühlen sich dann weniger gleichberechtigt, ihre Meinung wird weniger gehört und mit einbezogen. Wenn das Verständnis fehlt, ist es wesentlich schwieriger, Initiativen für mehr Diversity und Inclusion umzusetzen. Sobald aufrichtig und nachhaltig am Verständnis gearbeitet wird, ist Veränderung möglich. Diese Veränderung kann meiner Meinung nach durch das Commitment und die komplette Unterstützung des Top Managements und durch People Departments, interne Kommunikation sowie Learning & Development Experten getrieben werden. Regelmäßige Trainings mit eindeutigen Darstellungen in Zahlen, Daten und Fakten können die Wichtigkeit des Themas für alle begreifbar machen. Es ist essenziell, dass jemand für Fragen zur Verfügung steht. Dann kann in einem längeren Prozess ein Dialog entstehen, der zu einer Veränderung führt.
Du bist zweifache Mama. Wie setzt du dich in dieser Rolle mit dem Thema Diversität auseinander?
Da schließt sich für mich der Kreis: Ich möchte die Leidenschaft für Diversität auf jeden Fall an meine Söhne weitergeben und ihnen die Bedeutung der Integration vermitteln. Wir wohnen in Wien in einer Stadt mit enorm vielen verschiedenen Nationalitäten. Ich kann mich erinnern, dass es für meinen älteren Sohn anfangs überraschend war, im Kindergarten Menschen mit anderen Hautfarben zu sehen. Mittlerweile ist das für beide natürlich und wir sprechen auch regelmäßig darüber, dass Menschen unterschiedliche Nationalitäten, Religionen, Kulturen, usw. mitbringen. In der Erziehung meiner beiden Söhne ist es mir außerdem sehr wichtig, ihnen ein Verständnis für das Gender-Thema mitzugeben und sie zu sensibilisieren. Ich denke, dieses Bewusstsein für Diversität mitzugeben, ist eine sehr zentrale Aufgabe von Eltern und allgemein von Erwachsenen. Ich sehe auch eine große Verantwortung bei den Unternehmen: Alles, was ein Unternehmen für seine Mitarbeiter*innen bzw. vor allem für benachteiligte Gruppen machen kann, bestimmt das Leben dieser Menschen auch sehr stark auf privater Ebene. Ich nutze alles, was mir beruflich zur Verfügung steht, um Menschen in die Positionen zu bringen, die sie verdienen. Unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Religion, usw.