Katrin Bauer (36) ist meinem Interviewaufruf gefolgt und hat im Interview sehr persönliche Einblicke mit mir geteilt. Sie erlebt in ihrer Arbeit als Coach und Teamentwicklerin, welche Kräfte Diversity in Teams freisetzen kann – aber auch, wo Diversität an ihre Grenzen stößt. Ich lade euch ein, in diesem Interview die Erfahrungen von Katrin in ihrer Arbeit mit diversen Teams nachzulesen.
Katrin, ich freue mich sehr auf deine Perspektive. Wie kam es dazu, dass du dich mit Diversity beschäftigst? Was sind deine Anknüpfungspunkte an das Thema?
Katrin: Das Thema kam aus unterschiedlichen Richtungen immer wieder in mein Leben. Meine erste Berührung hatte ich, als mein Vater vor ungefähr 15 Jahren an einem Buch über Diversity Management in Teams mitgeschrieben hat. Er hat dazu Interviews geführt, es wurde eine Konferenz veranstaltet. Ich stand da gerade am Anfang meines Psychologiestudiums und konnte die Notwendigkeit, über dieses Thema ein Buch zu schreiben, gar nicht wirklich erkennen. Für mich war es eine Selbstverständlichkeit, dass Menschen unterschiedlich sind und ich ihnen daher unterschiedlich begegnen muss. Je älter ich wurde und je mehr Erfahrungen ich gesammelt habe, desto klarer wurde das Thema für mich. Aktuell arbeite ich als Coach und Teamentwicklerin, da ist Diversity tagtäglich ein wichtiger Aspekt für mich.
Darf ich kurz dazu nachhaken, warum du als Jugendliche nicht wirklich nachvollziehen konntest, warum dein Vater an einem Buch zum Thema Diversity-Management mitgearbeitet hat? Ich frage mit dem Hintergrund, dass sich meine Gedanken oft darum drehen, welches Weltbild ich meinen Töchtern mitgeben soll und wie ich sie stärken kann, ihren Weg zu gehen.
Als mein Vater das Buch geschrieben hat, war ich für die Genderperspektive auf jeden Fall zu jung, ich hatte dazu keine persönlichen Erfahrungen und habe das Thema eher auf andere Aspekte von Diversity bezogen. Ich war über die Feminismusdebatte aus den 70er-Jahren informiert und dachte, dass das kein Thema mehr sei. Erst später habe ich erkannt, dass das Thema ganz und gar nicht „vorbei“ ist, sondern aktueller denn je. Meine Eltern haben mir immer das Gefühl gegeben, dass mir die Welt offensteht und ich alle Möglichkeiten habe. Natürlich habe ich im Freundeskreis und auch bei uns zuhause gesehen, dass die Väter Vollzeit arbeiteten und die Mütter zuhause blieben. Die Rollenverteilung war relativ klassisch, aber in meiner Wahrnehmung war das kein Muss. Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Weltbild aus meiner Kindheit mitgenommen habe. Ich kann mir gut vorstellen, dass das bis heute meinen Blick auf diese Welt prägt und beeinflusst, in welche Richtungen ich überhaupt denke.
Du arbeitest als Coach und Teamentwicklerin. Magst du mit mir teilen, wie das Thema Diversity in dein Berufsleben hineinspielt?
Gern. Bei Teamentwicklungen begegnet mir das Thema sehr oft, ohne dass es so benannt wird. Ich werde meistens dann angefragt, wenn es irgendwie „ruckelt“ im Team, wenn es Konflikte gibt und die Ursache nicht klar gefasst werden kann. Egal, wie unterschiedlich die Aufgabenstellungen dann auch erscheinen, es geht im Endeffekt genau um das Miteinander, um das Erkennen und Anerkennen von Unterschieden. Menschen so anzunehmen, wie sie sind, und Abstand davon zu nehmen, die eigenen Denkmuster auf andere zu projizieren. Ich verfolge in meiner Arbeit sehr intensiv den stärkenbasierten Ansatz. Dabei wird eben nicht nur das Problem an sich analysiert, sondern besprochen, welche Personen welche Fähigkeiten und Erfahrungen mitbringen. Die Ressourcen, Stärken und Talente des Teams werden erhoben, um dann zu prüfen, wie Ziele dadurch am besten erreicht werden können. Für mich ist der Umgang mit Diversität ein sehr wichtiges Kriterium in diesem Prozess.
Wenn du mit Teams arbeitest, gibt es dann eine Art „Basis“, von der weg erst das Thema Diversity diskutiert werden kann? Was muss gegeben sein, damit die Unterschiedlichkeiten im Team sich vom Störfaktor hin zur bereichernden Vielfalt bewegen können?
In Team-Workshops landen wir oft an dem Punkt, wo Menschen einfach erkennen, dass wir alle unterschiedlich ticken, andere Werte und Prioritäten mitbringen. Dieses Verstehen ist der erste Schritt, darauf aufbauend kann Verständnis entstehen. Niemand muss gut finden, was andere machen – aber zumindest zu verstehen, was eine Person antreibt und wie jemand denkt, das erleichtert die Zusammenarbeit im Team enorm. Diese „Übersetzungsarbeit“ ist ganz oft der Kern meiner Begleitung. Bei Generationenkonflikten sind z. B. häufig Verständigungsprobleme die Ursache. Wenn dann beide Seiten erkennen, dass sie einfach aufgrund des Altersunterschieds wirklich anders ticken, dann ist das schon ein großer Teil der Lösung. Ich versuche, das dann dahin zu lenken, dass der Mehrwert verstanden wird, wenn beide Perspektiven gleichberechtigt nebeneinanderstehen dürfen und einander befruchten.
Das Thema Konfliktpotenzial in diversen Teams hat mich schon in mehreren Interviews begleitet. Die These ist, dass ähnlich gepolte Menschen „einfacher“ zu Entscheidungen kommen, aber diverse Teams kreativere und tragfähigere Lösungen finden. Mich interessiert deine Erfahrung dazu, wie diverse Teams das Konfliktpotenzial handhaben.
Ich bekomme oft das Feedback, dass nach meiner Begleitung ein stärkeres Verständnis füreinander da ist. Ob das insgesamt zu einer angenehmeren Arbeitsatmosphäre beiträgt, hängt stark davon ab, wie die Teilnehmer*innen damit weiterarbeiten. Es gibt immer wieder „harte Knochen“, die Veränderungen sehr skeptisch begegnen und an gewohnten Mustern festhalten. In Extremfällen habe ich auch Konstellationen erlebt, wo einzelne Personen sich entschließen, das Setting zu verlassen, weil Konflikte sich nicht auflösen lassen. Meistens kann ich allerdings dazu beitragen, dass insgesamt ein besseres Miteinander entsteht. Wenn ich in Teams komme, in denen es bereits ein Bewusstsein für Diversity und die daraus entstehenden Herausforderungen gibt, kann ich auf einer ganz anderen Ebene starten. Dann führt der stärkenbasierte Ansatz wirklich zu großartigen Ergebnissen. Die Teilnehmer*innen fangen an, sich mit einer anderen Brille zu betrachten und zu erforschen, welche Fähigkeiten die anderen mitbringen. Um also deine Frage zu beantworten: Ja, ich glaube, das ist so. Mit Menschen, die mir ähnlich sind, ist es einfacher, daher auch bequemer und oft schneller. Diverse Teams sind aufgrund der Unterschiedlichkeit oft „unbequemer“, kommen aber aufgrund der Perspektivenvielfalt zu kreativeren Lösungen. Man muss dafür also gewissermaßen Lust auf das Unbequeme haben und den Sinn darin erkennen.
Das bedeutet, dass Vielfalt allein nicht ausreicht, sondern diese Vielfalt verstanden und gemanagt werden muss?
Ja, zu hundert Prozent. Ich habe oft den Eindruck, dass Diversity so verstanden wird: „Hauptsache bunt, Hauptsache unterschiedlich, dann ist es gut“. Und so ist es natürlich auch nicht. Vielfalt allein reicht nicht aus. Es braucht die Bereitschaft der einzelnen Personen, sich füreinander zu interessieren und sich mit den Unterschieden auseinanderzusetzen. Wenn das gelingt, bin ich persönlich absolut überzeugt von der Kraft diverser Teams. Wenn es gelingt, die unterschiedlichen Perspektiven gut aufeinander abzustimmen, dann entstehen neue, bessere Lösungen. Dazu muss ich gerade an den neuen Bericht der AllBright-Stiftung zu Familienunternehmen denken. Darin wird dargestellt, dass nur 8,3 Prozent Frauen in der Geschäftsführung der 100 größten deutschen Familienunternehmen arbeiten. In diesem Fall würde ich mir auf jeden Fall mehr Diversität wünschen. Wer weiß, welche Potenziale da noch schlummern, wenn das Top Management mit mehr Frauen und anderen unterrepräsentierten Gruppen besetzt wird. Unser Umfeld ist schnelllebiger geworden, das erfordert andere Strategien als noch vor 30 Jahren. Ich denke, es ist sehr wertvoll, wenn dabei unterschiedliche Blickwinkel miteinbezogen werden.
Erzählst du mir zum Abschluss des Interviews noch etwas über deinen Podcast?
Sehr gern. Mit einer Freundin bzw. mittlerweile auch Geschäftspartnerin betreibe ich seit mittlerweile einem Jahr einen Podcast mit dem Titel „Alice im Serverland“. Sie ist viel im IT-Recruiting unterwegs, ich habe viele Kunden aus dem IT-Bereich. Als Coach begleite ich relativ oft junge Frauen, die sich ihren Weg in die Technik selbst bahnen. Das Thema hat uns sehr gefesselt, weil Frauen einfach immer noch absolut in der Minderheit sind. Wir haben uns daher als Ziel gesetzt, einerseits zu zeigen, wie bunt die IT-Welt ist und wie vielfältig die Möglichkeiten darin sind, und andererseits weibliche Role Models vor den Vorhang zu holen. Wenn es eine Vergleichbarkeit bzw. eine Brücke zur eigenen Person gibt, dann können Role Models ein enormes Zugpferd sein.
Teamentwicklung mit Diversity Management
Das Buch mit diesem Titel hat Katrins Vater vor etwa 15 Jahren mitherausgegeben. Ich selbst habe während meines Studiums vor etwa 20 Jahren einen Kurs zu Gender Studies besucht. Wenn ich bedenke, dass wir uns jetzt immer noch um die gleichen Themen drehen, dann wundere ich mich schon sehr, wie langsam Veränderungen stattfinden.
https://www.buecher.de/shop/fuehrung/teamentwicklung-mit-diversity-management/luethi-erika-oberpriller-hans-loose-anke-orths-stephan/products_products/detail/prod_id/58559087/
„Durch den steigenden Bedarf in Unternehmen werden verschiedene Maßnahmen unter Diversity Management eingeführt. Dass seine Umsetzung einen Paradigmenwechsel voraussetzt, wird dabei oft außer Acht gelassen. Mit vielen konkreten Übungen und Praxisbeispielen zeigen die Autorinnen und Autoren auf, wie gelebtes Diversity Management in Teams implementiert werden kann. Das Buch leistet zudem einen Beitrag zu mehr Wertschätzung und Akzeptanz des Fremden, des Anderen in unserer multikulturellen Gesellschaft.“
Link zum Podcast
Katrins Podcast „Alice im Serverland“ findet ihr hier!
Katrin stellt als Coach viele Fragen. Einige davon hier als Denkanstoß:
Wer bin ich?
Was macht mich aus?
Was treibt mich an?
Welche Ziele habe ich?
Noch 50 Jahre bis zur Parität in den Vorstandsetagen
Nur 8,3 Prozent Frauen arbeiten in der Geschäftsführung der 100 größten Familienunternehmen. Das zeigt der neue Bericht der AllBright-Stiftung. Die Schwarz-Gruppe und Fressnapf schneiden besonders schlecht ab. Sollten die Familienfirmen ihr Tempo beibehalten, wäre die Parität erst 2072 erreicht.
Den gesamten Artikel findet ihr unter:
https://www.manager-magazin.de/unternehmen/diversity-familienunternehmen-holen-laut-allbright-studie-kaum-frauen-in-die-fuehrung-a-5f344bb7-5118-400c-85a9-190101ba3594