Stephanie (39) ist Head of Diversity & Inclusion Advisory bei Ward Howell International. Sie begleitet Unternehmen und Organisationen unterschiedlichster Branchen bei der Umsetzung von Initiativen im Themenfeld Diversity, Equity and Inclusion (DEI). Wir haben über die Herausforderungen bei der Einführung von Diversity-Maßnahmen gesprochen und Stephanie hat erzählt, warum diverse Teams nicht per se erfolgreicher arbeiten. Als Mutter verfolgt sie die Devise „Karriere dank Kind“ – dazu musste ich natürlich eine abschließende Frage stellen.

 

Stephanie, du wurdest mir als Interviewpartnerin ans Herz gelegt und ich freu mich sehr auf unser Gespräch.

Stephanie: Ich mich ebenso. Ich teile meine Erfahrung und mein Wissen sehr gern, weil ich es insgesamt unglaublich wichtig finde, dass wir uns im Bereich Diversity, Equity und Inclusion gut vernetzen und intensiv austauschen. Das ist eine gemeinsame Reise, auf der wir alle voneinander lernen können. DEI ist ein enorm großes Mandat und gleichzeitig ein fortlaufender Prozess. Ich biete meinen Klient*innen dazu keine Halbtages- oder Tagesworkshops an, denn dazu ist das Themenfeld viel zu komplex.

 

Kannst du dich noch erinnern, was deine Leidenschaft für Diversity geweckt hat?

Ich habe mehr als zehn Jahre für die United Nations gearbeitet und konnte großartige, augenöffnende Missions und Reisen begleiten. Wer schon einmal international gearbeitet hat, ist sich der Tatsache interkultureller Unterschiede bewusst und weiß, welche Freuden und „Schmerzen“ diverse Teams mit sich bringen. Meine Herangehensweise war immer, die Zusammenarbeit zu optimieren und strukturelle sowie kulturelle Barrieren zu überwinden. Aus dieser Zeit habe ich sehr viel Inspiration für mich mitgenommen und auch erkannt, welche Privilegien wir in Zentraleuropa genießen dürfen. Mir ist es wichtig, bei anderen eine Offenheit und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie wir von anderen Kulturen lernen können. Das gilt für mich im privatwirtschaftlichen Umfeld genauso wie in Non-Profit-Organisationen.

 

Du begleitest beruflich Unternehmen auf ihrer DEI-Reise. Wie nähert ihr euch dem Thema? Welche Herangehensweise ist deiner Meinung nach besonders effektiv?

Bei Ward Howell International fokussieren wir generell stark auf die Arbeit mit Führungskräften im Top Management bzw. Senior Level. Dass wir auf dieser Ebene ansetzen können, macht die Auseinandersetzung mit DEI wesentlich effektiver. Wenn die Führungskräfte mit an Bord sind und die Wichtigkeit von DEI aktiv vorleben, dann ist die Umsetzung von entsprechenden Maßnahmen deutlich leichter. Stabstellen und Ambassadors können unserer Erfahrung nach das Thema zwar supporten, aber es braucht unbedingt das Commitment des höchsten Führungsgremiums.

 

Magst du im privatwirtschaftlichen Kontext auf die – wie du es genannt hast – „Schmerzen“ diverser Teams eingehen. Was muss deiner Meinung nach unbedingt berücksichtigt werden, um diese Schmerzen gut im Griff zu haben?

Gern. Diverse Teams kommen nicht ausschließlich mit Benefits. Unterschiedliche Kulturen legen unterschiedlichen Wert auf direkte oder indirekte Kommunikation und Feedback. Als Beispiel: Amerikaner*innen schätzen direkte Kommunikation und erwarten, dass Menschen „sagen sollten, was sie denken“. Kontextstarke Kulturen wie z. B. die asiatischen Kulturen achten allerdings genauso stark auf das, was nicht gesagt wird und was sie zwischen den Zeilen lesen. Ich als Österreicherin komme auch mit meinem britischen Ehemann immer wieder in kulturell typische Unterschiede, z. B. über britische Pünktlichkeit versus österreichische „akademische Viertelstunde“. Diese kulturellen Verschiedenheiten müssen mitgedacht werden. Die Pros und Cons diverser Teams müssen bewusst sein, wenn ein vielfältiges Setting aufgesetzt wird. Wir erleben in der Beratung aktuell, dass viele Unternehmen DEI als Business Case sehen. Um das Potenzial im Hinblick auf Kreativität und Innovation wirklich nutzen zu können, sind aber bestimmte Strukturen und Führungsmentalitäten notwendig.

 

Welche Strukturen sind deiner Meinung nach förderlich, damit die Potenziale diverser Teams ausgeschöpft werden können?

Ich bin auf jeden Fall davon überzeugt, dass die Auseinandersetzung mit DEI das richtige Mindset braucht. Ich sehe auch eine starke Verknüpfung zu Themen wie New Work und Unternehmenskultur. Eine integrative, inklusive Kultur ist einerseits der Schlüssel und muss andererseits gut auf die Werte und den Purpose eines Unternehmens abgestimmt sein. Ich denke, dass es eine starke Vision braucht, die gut an alle Mitarbeiter*innen kommuniziert wird. Als Beispiel für eine fördernde Kultur sehe ich familienfreundliche Strukturen. Dazu gibt es viele Möglichkeiten: Die Regel, dass es keine Meetings mehr nach 16 Uhr gibt, oder die Regel, dass im Meeting alle zu Wort kommen. Das können schon ganz einfache Maßnahmen sein. Im Zentrum steht für mich, sich darüber Gedanken zu machen, welche Strukturen möglicherweise Mitarbeiter*innen ausschließen, und hier etwas zu verändern. Auch die Orientierung an Role Models und Vorreiterunternehmen ist immer eine gute Idee, um Anknüpfungspunkte für Maßnahmen zu finden. Was ich an dieser Stelle gern betonen möchte: Das DEI-Themenfeld ist so umfassend, dass Unternehmen oft nicht wissen, womit sie starten sollen. Wir empfehlen einfach immer, sich vom Anspruch auf Perfektion zu lösen und DEI als Prozess zu sehen. Der erste Schritt ist der wichtigste.

 

Du hast von Privilegien gesprochen. Wie gehst du damit um?

Dass ich durch meine Reisen so viel Ungerechtigkeiten auf dieser Welt gesehen habe, hat in mir das starke Bedürfnis geweckt, mich für andere zu engagieren. Der Satz „Wenn du nur hart genug arbeitest, kannst du alles erreichen“ trifft nur auf einen sehr kleinen Anteil der Weltbevölkerung zu. Genau genommen auf maximal 7 %. Weltweit stirbt alle zehn Sekunden ein Kind an Unterernährung, 23 % der Weltbevölkerung sind obdachlos, 13 % haben keinen Zugang zu Trinkwasser, die Liste ist lang. Mir ist wichtig, dass wir selbst reflektieren und uns unserer Privilegien bewusst sind. Wir müssen uns dafür nicht schämen, aber ich finde es schön, wenn wir unsere Privilegien dafür einsetzen, anderen eine Stimme zu geben und für andere Barrieren aus dem Weg zu räumen, die wir nicht haben. Eine einfache Möglichkeit im Unternehmenskontext ist z. B., bei Besprechungen bewusst das Wort an diskriminierte und unterrepräsentierte Teilnehmer*innen zu geben. Diesen Personen eine Bühne zu geben und ihre Expertise zu betonen.

 

Zum Abschluss unseres Interviews würde ich gern noch auf etwas eingehen, das du zu Beginn erwähnt hast: Karriere dank Kind. Kannst du beschreiben, was du damit meinst?

Sehr gern. Ich bin überzeugt, dass Eltern Skills entwickeln und lernen, die auch im beruflichen Kontext, vor allem in der Führungsarbeit, sehr wertvoll sind. Dazu gehören Zeitmanagement, Empathie, Verhandlungsgeschick, Geduld oder die Wahl unterschiedlicher Kommunikationswege. Unzählige Studien, z. B. von Harvard Review, definieren Soft Skills wie Emotional Intelligence als Top Skills von Führungskräften. Meiner Meinung nach ist es allerdings zentral, dass Mütter und Väter diese Kompetenzen ganz klar und selbstbewusst kommunizieren. Die Karenzzeit kann als aktiver Karriereabschnitt genutzt werden, bietet Raum für persönliches Wachstum und Selbstreflexion. Wenn das Unternehmen dafür Wertschätzung entwickelt und familienfreundliche Strukturen schafft, dann profitieren davon alle Mitarbeiter*innen. Neben der Elternschaft gibt es viele andere Situationen im Leben, in denen Mitarbeiter*innen private Herausforderungen mit dem Job in Einklang bringen müssen.

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Zitat Dr. Mohamed ElBaradei

In ihrer Zeit bei den United Nations hat Stephanie u. a. mit dem Friedensnobelpreisträger Dr. Mohamed ElBaradei gearbeitet. Sie hat erzählt, dass sie es sehr geschätzt hat, wie Dr. ElBaradei seine Werte verfolgt und an ihnen festhält. Eines seiner Zitate hat sie mir mitgegeben: „Demokratie ist kein Instant Coffee.“