Gabriele ist Kommunikationsberaterin, Verkaufstrainerin und Autorin des Buchs „Boost your career, Sister!“. Sie bietet in ihrem Portfolio unter anderem Workshops zu Gender & Diversity an und brennt für das Thema Female Leadership. Einige ihrer beruflichen Erfahrungen in der Begleitung von Frauen und speziell von weiblichen Führungskräften hat Gabriele im Interview mit mir geteilt. Nachdem sie mich mit ihrem Gefühl für Worte und Formulierungen sehr beeindruckt hat, haben wir über die Wichtigkeit von Kommunikation in diversen Teams gesprochen.
Gabriele, ich freue mich sehr auf unser Gespräch und auf deine Perspektive. Was ist dir am Thema Diversity wichtig, welche Berührungspunkte hast du beruflich und privat?
Gabriele: Meine Familie hat einen sehr internationalen Background, wodurch ich mit kultureller Vielfalt aufgewachsen bin. Durch mein Studium der Interkulturellen Kompetenzen an der Donau-Universität Krems habe ich mich weiter mit dieser Diversitätsdimension auseinandergesetzt. Mir ist seit Langem bewusst, dass ich einer sehr privilegierten Gruppe angehöre – meine ersten persönlichen Erfahrungen mit Diskriminierung hatte ich tatsächlich erst, als ich Mutter geworden bin. Da sind mir zum ersten Mal die Unterschiede zwischen Männer- und Frauenkarrieren aufgefallen. Es ist eben nicht so, dass Frauen die gleichen Chancen wie Männer haben, wenn sie sich nur genug anstrengen. Meine persönlichen Erfahrungen wollte ich mit einem Gender-Mainstreaming-Lehrgang challengen. Ich habe meinen Mann gebeten, diese Ausbildung gemeinsam mit mir zu machen, damit wir einerseits in der Erziehung unserer Kinder achtsam mit Stereotpyen und alten Rollenerwartungen umgehen. Andererseits sind wir beide im Training tätig und damit hat sich ein neues Geschäftsfeld aufgetan. Als Ehepaar Gendermainstreaming-Themen anzubieten, war schon einzigartig und hat vor allem die abschreckende Wirkung bei Männern relativiert.
Ich denke gerade an Situationen mit meiner Tochter, die ich aktuell sehr regelmäßig erlebe. Sie hat viele Ideen und übernimmt im Spiel mit Freunden oft eine führende Rolle ein. Während in mir Motive aus meiner Jugend wachwerden, die mir sagen, dass Mädchen nicht den Ton angeben, mache ich mir immer wieder bewusst, dass ich diese „Führungsqualitäten“ gepaart mit ihrer Empathie sehr beeindruckend finde. Meine Frage dazu an dich: Wie stark führt diese kindliche Prägung dazu, dass erwachsene Frauen Schwierigkeiten damit haben, das Wort zu ergreifen und für sich und andere einzustehen?
Zuerst möchte ich dir mitgeben, dass deine Tochter das Glück hat, eine reflektierte Mama zu haben. Viel zu oft werden Attribute unhinterfragt weitergegeben. Diese Re-Attributierung führt zu dem Phänomen „doing gender“ – das meint, dass wir in Stereotypen weiterarbeiten und einer Person aufgrund ihres biologischen Geschlechts geschlechtsspezifische Verhaltensweisen, Eigenschaften und Rollen zuordnen. Diese über Generationen weitergegebenen Rollenbilder prägen Frauen und Männer natürlich. Ein Beispiel dazu: Wenn Lehrkräfte der Meinung sind, sie verteilen die Gesprächsanteile gleich zwischen Mädchen und Burschen, dann gibt es immer eine Schieflage zugunsten der Burschen. Es braucht extrem viel Reflexion, um aus diesem „doing gender“ auszusteigen.
Viele deine Workshops und Beratungsangebote richten sich ausschließlich an Frauen. Warum ist dir die Förderung von Frauen ein besonderes Anliegen?
Ich liebe das Zitat, das Madeleine K. Albright zugeschrieben wird: „Es gibt einen besonderen Platz in der Hölle für Frauen, die andere Frauen nicht unterstützen.“ Das trifft es für mich sehr gut. Ich spiele eindeutig im Team Sisterhood und im Team Räuberleiter. Ich sehe in meiner Arbeit sehr oft, dass Frauen hinter ihrem Potenzial zurückbleiben, dass sie indifferent bleiben und nicht zu einer Entscheidung kommen. Genau dem möchte ich mit meiner Arbeit entgegenwirken. Meiner Meinung nach warten Frauen oft darauf, dass jemand anderer ihre Potenziale erkennt und fördert. Sie warten darauf, dass jemand auf sie zukommt und sie fragt, ob sie eine Führungsposition übernehmen möchten.
Das kann ich gut nachempfinden. Was steckt deiner Meinung nach hinter diesem Verhalten? Wie können Frauen aus dieser Warteposition herauskommen?
Deborah Tannen hat dazu die Theorie entwickelt, dass es vertikale und horizontale Kommunikationssysteme gibt. Ein vertikales System funktioniert dadurch, dass zuerst der Rang geklärt wird und durch die Hierarchie eine Arbeitsfähigkeit entsteht. Das geht relativ schnell. In einem horizontalen Kommunikationssystem ist Zugehörigkeit der höchste Wert, alle versuchen, auf dem gleichen Level zu bleiben und niemanden auszuschließen. Wer in so einem System die Bereitschaft erklärt, führen zu wollen, verlässt diese gleiche Ebene und wird meist relativ schnell Gegenwind spüren. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Punkt, der Frauen bremst. Das Ideal wäre, zwischen beiden Kommunikationssystemen wechseln zu können. Das bedeutet z. B., dass Personen, die im horizontalen System zuhause sind – und das trifft eben auf die meisten Frauen zu –, Rang-Botschaften geben können. Wenn ich in ein Meeting komme, bei dem ich die Chefin bin, dann begrüße ich lächelnd die Runde und positioniere mich ganz klar. Nicht erwünschtes Verhalten wie zu spät zu kommen muss ich sanktionieren, durch einen Blick, ein Gespräch nach dem Meeting oder direkt im Meeting ansprechen.
Ich erlebe dich gerade als jemanden, der extrem bedacht mit Worten umgeht und sehr feinfühlig im Miteinander ist, gleichzeitig aber sehr bestimmt auftritt. Das imponiert mir. Ich habe manchmal den Eindruck, dass Frauen, die sich klar positionieren, mit bissigen Bemerkungen bedacht werden. Hast du dazu Gedanken oder Erfahrungen?
Im Coaching hat mir erst kürzlich eine Frau erzählt, dass sie mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, schnippisch und forsch zu kommunizieren. Ich erlebe in meiner Arbeit sehr oft, dass von Frauen insgesamt eine andere Art der Kommunikation erwartet wird als von Männern. Gleichzeitig erkennen viele Frauen bei sich selbst ein Defizit, wenn es darum geht, klar zu kommunizieren. Ich denke, für viele Frauen ist es eine Herausforderung, in einer vollkommenen Klarheit und Souveränität Dinge anzusprechen. Es ist zentral, zu lernen, wie auch Forderungen und Kritik mit freundlicher, gelassener Bestimmtheit gesagt werden können. Die Wichtigkeit, Nein sagen zu können, ist vielen bewusst. Aber das Wie ist oft unklar.
Ich möchte noch einmal auf den Wechsel von horizontalem und vertikalem Kommunikationssystem zu sprechen kommen. Es gibt in Unternehmen manchmal die eine Frau, die es in den Vorstand schafft – dabei aber eher typisch männliche als weibliche Verhaltensweisen zeigt. Hängt das mit dem Kommunikationssystem zusammen? Meint das, dass Frauen sich vertikale Verhaltensweisen aneignen müssen, um in Führungspositionen zu kommen?
Ich denke, dass in der Vergangenheit sehr oft Frauen in Führungspositionen kamen, die selbst ein vertikales Verhalten mitbringen. Das bedeutet allerdings nicht, dass es nur so funktionieren kann. Die finnische Regierungspräsidentin Sanna Marin und viele andere weibliche Role Models können gut switchen und bringen ein neues Selbstbild als Führungskraft mit. Diese Frauen können Teams unglaublich gut führen, setzen aber gleichzeitig auf hohe Partizipation. Dazu fällt mir der Token-Effekt ein. Dieser besagt, dass in einer homogen scheinenden Gruppe eine „andersartige“ Person – z. B. eine Frau unter Männern, eine ältere Person unter jungen Menschen, etc. – immer auffällt und einen Sonderstatus bekommt. Eine Taktik, um damit umzugehen, ist, das zu ignorieren und sich anzupassen. Erst, wenn der Token eine Präsenz von 30-40 % erhält, verhalten sich die entsprechenden Personen „natürlich“ und bringen sich in ihrer eigenen Art ein. Das ist ein starkes Argument für eine Quotenregelung, nicht nur in Bezug auf Gender, sondern in Bezug auf alle Dimensionen von Diversity. Je diverser gut geführte Teams sind, desto mehr Schieflagen nehmen sie vorweg.
Dazu muss ich nachhaken. Ich habe schon in mehreren Interviews diskutiert, dass Diversität allein nicht die Lösung ist. Das Konfliktpotenzial von Vielfalt muss moderiert und begleitet werden. Du hast gerade „gut geführte Teams“ in Verbindung mit Diversity genannt. Magst du darauf näher eingehen? Welche Führungsqualitäten brauchen diverse Teams?
Grundsätzlich braucht es natürlich die Haltung, dass ich als Führungskraft an der Meinung aller Personen in meinem Team interessiert bin. Zu den Führungsqualitäten gehört dann auf jeden Fall, allen im Team angemessen Raum zu geben und den Austausch zu moderieren. Mir muss bewusst sein, dass die erste Meinung, die bei einem Meeting ausgesprochen wird, das weitere Gespräch lenkt, alle anderen Meinungen werden darauf referenzieren. Das kann ich z. B. umgehen, indem ich verschiedene Lösungsmöglichkeiten zeitgleich sammle, nebeneinanderstelle und bepunkten lasse. Oder indem ich Meinungen per Chat einhole und alle ersuche, erst auf Kommando zur gleichen Zeit zu senden. Und gute Leader müssen auf jeden Fall auch gut zuhören können: Da sie nicht viel Feedback bekommen, müssen sie genau hinhören und herausfiltern können, welche Botschaften für den weiteren Erfolg des Teams wichtig sind.
Ich packe in meinen Koffer…
Ein Satz, der mir sehr an unserem Gespräch gefallen hat. Als ich Gabriele gesagt habe, dass ich mir bei ihr gut das Wechselspiel von horizontaler und vertikaler Kommunikation vorstellen kann, hat sie darauf geantwortet:
„Danke für das Kompliment. Wenn ich in der Rolle bin, werde ich als Führungskraft nicht in Frage gestellt.“
Zitat
„Es gibt einen besonderen Platz in der Hölle für Frauen, die andere Frauen nicht unterstützen.“
Madeleine K. Albright
doing gender
Wenn euch dieser Begriff interessiert, könnt ihr z. B. hier nachlesen:
Boost your career
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Mehr Informationen gibt es hier:
Kostenlose Challenge: Be your Leader: https://go.sollak.at/
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