Isabelle (52) ist in Tirol geboren, war als Kind einige Jahre in Wien und später in Frankreich. Sie war Schauspielerin an diversen Theatern in Österreich und hat bei einem Tiroler Radiosender moderiert. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Innsbruck absolvierte sie Ausbildungen zur HR Managerin sowie zur professionellen Sprecherin in Wien. Isabelle ist seit Geburt des dritten Kindes alleinerziehende Mutter und hat mit Unterbrechungen Vollzeit gearbeitet. Sie ist ein Energiebündel sondergleichen – darum schafft es vermutlich auch kein Fotograf, sie lang genug für ein Foto vor die Linse zu bekommen. Bei SHEconomy ist Isabelle seit 2019 für die Akquise und Betreuung von Unternehmen zuständig.
Isabelle, ich freue mich sehr darauf, dich kennenzulernen und deine Perspektive einzufangen. Du strahlst! Erzählst du mir, ob diese Energie etwas mit dem Thema Diversity zu tun hat?
Isabelle: Ja, definitiv. Ich bin mir meiner Privilegien durch meinen aristokratischen Background bewusst – und dieser war für mich nicht immer von Vorteil. Durch unsere Reisen und unterschiedlichen Lebensmittelpunkte konnte ich schon in jungen Jahren viele Erfahrungen sammeln. Ich weiß auch, dass ich ziemlich intelligent bin und eine Reihe von persönlichen Fähigkeiten mitbringe. Ich habe viel Berufserfahrung – wobei ich mir meine Ausbildungen zur Gänze selbst finanziert habe –, umfangreiche Kompetenzen und viel Energie. Nichtsdestotrotz habe ich in meinem Leben erfahren, dass ich viel Potenzial vergeudet habe, weil mir trotz Vollzeitbeschäftigung aufgrund meines Status als alleinerziehende Mutter Chancen nicht gewährt wurden. Selbst in meiner Funktion als Elternvereinsvorsitzende habe ich in meinem Umfeld ordentlich Kritik geerntet und musste mich erklären bzw. bei anderen erst einen Reflektionsprozess auslösen. Ich will, dass das Bild von Menschen, die Karriere und Familie sehr wohl unter einen Hut bringen und in beiden Rollen glänzen, in die Köpfe der Führungsetagen bzw. Eltern kommt. Gerechtigkeit war für mich schon immer ein sehr starker Antrieb. Ich will mein Privileg nutzen, um anderen Menschen Mut zu machen und ihnen Wege aufzuzeigen.
Deine Energie ist beeindruckend und bei jedem Satz zu spüren. Ich empfinde mein Leben mit zwei kleinen Mädchen manchmal schon sehr intensiv und fordernd. Darf ich fragen, was dir hilft, Beruf und Erziehung gut vereinbaren zu können?
Für mich war immer klar, dass ich täglich drei Stunden effektiv Zeit mit meinen Kindern verbringen will und dass ich diese Zeit ganz bewusst plane, nutze und auch genieße. Natürlich braucht es eine gute Vorbereitung, um mit drei kleinen Kindern Vollzeit berufstätig sein zu können. Am besten beginnt die Organisation schon vor der Geburt. Initiativen wie „KiB children care“ bieten z. B. um 14,50 Euro pro Monat im Bedarfsfall eine super Betreuung von kranken Kindern an. Da kommen Krankenschwestern und ausgebildete Kräfte direkt zu einem nach Hause und kümmern sich nicht nur um die Kinder, sondern auch um Medikamente und andere Einkäufe. Ich bin überzeugt: Wenn man sich richtig organisiert, ist alles möglich.
Du hast angesprochen, dass dir sowohl von Unternehmensseite als auch von anderen Eltern nicht zugetraut wurde, der Verantwortung eines Vollzeitjobs nachkommen zu können. Magst du darauf näher eingehen?
Gern. Es ist leider immer noch so, dass sich viele Führungskräfte und HR-Verantwortliche das nicht vorstellen können. Darüber hinaus herrschen meiner Wahrnehmung nach in einigen Branchen sehr starre Vorstellungen über Arbeitszeit und Arbeitseinteilung. Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf braucht es ganz klar mehr Flexibilität und andere Arbeitsmodelle seitens der Arbeitgeber*innen. Mit drei kleinen Kindern hatte ich z. B. schlichtweg keine Möglichkeit, als Juristin zu arbeiten. Ich habe zwar das Gefühl, dass die Krusten und Strukturen langsam aufbrechen, aber insgesamt ist die Juristerei noch sehr verkopft.
Womit sollten sich Unternehmen deiner Meinung nach auseinandersetzen, um einen guten Umgang mit Diversität zu leben und von Vielfalt zu profitieren?
Für mich lautet der Schlüssel ganz klar Equity. Equity bedeutet, dass Unternehmen alle Individuen gleichbehandeln und miteinbeziehen. Jedes Individuum hat seine Fähigkeiten und seinen Mehrwert – jedes Individuum ist in der Lage, an ein Problem heranzugehen und eine Lösung zu finden. Der Pool aus diesem Angebot an unterschiedlichen Lösungen und Fertigkeiten macht den Erfolg eines Unternehmens aus. Bei Takeda, einem Kunden von mir, wird ein sehr inspirierender Zugang zu Diversity verfolgt. Das Unternehmen hat z. B. erkannt, dass Autisten, denen ein Arbeitsplatz ohne Musik und Hintergrundgeräusche geboten wird, besser als alle Menschen ohne dieses spezielle Persönlichkeitsmerkmal auf die genaue Prüfung einer Medikamentenzulassung fokussieren können. Die gleiche Akzeptanz und Wertschätzung werden bei Takeda auch für alle anderen Dimensionen von Diversität, z. B. Herkunft, Geschlecht und Alter, gelebt. Zu Akzeptanz gehört auch, sich als Führungskraft dessen bewusst zu sein, dass andere Personen in vielen Bereichen bessere Fähigkeiten mitbringen als man selbst. Darum sage ich gern, dass Diversity ein gutes Selbstbewusstsein braucht.
Diese Aussage finde ich sehr spannend. Kannst du bitte näher beschreiben, was du damit meinst?
Selbstbewusstsein bedeutet für mich, dass ich mir meiner Stärken, aber auch meiner Schwächen bewusst bin. Ich muss als Führungskraft akzeptieren, dass ich nicht alles kann. Ich muss selbstsicher aushalten, dass ich jemanden neben mir bestehen lasse. Dann ist es mir möglich, ausgezeichnete Mitarbeiter*innen zu beschäftigen, sie als Chance und nicht als Konkurrenz zu sehen. Davon profitiere ich als Führungskraft, weil ich natürlich den Erfolg meines Unternehmens steigere. Gerade in Zeiten eines Fachkräftemangels wirkt sich diese totale Vergeudung von Potenzialen noch verheerender für Unternehmen aus. In diesem Zusammenhang möchte ich auch Gender Equality und Gender Pay Gap ansprechen. Die Bezahlung einer Person darf in keinster Weise mit ihrem Geschlecht zusammenhängen, sondern muss sich an den Kompetenzen und Aufgaben orientieren. Ich finde es grotesk, dass es eine EU-Richtlinie für die Krümmung von Gurken gibt, der im Verfassungsrecht wichtige Grundsatz der Gleichbehandlung – also gleiche Bezahlung bei gleicher Qualifikation und Leistung – in Unternehmen aber gern unter den Teppich gekehrt wird.
Ich spüre, dass dich das Thema sehr bewegt.
Wie gesagt: Jedes Individuum bringt eine Vielzahl an Fähigkeiten und Fertigkeiten mit. Gute Führungskräfte erkennen und akzeptieren das – schlechte Führungskräfte verschenken Energie und Ressourcen. Ich finde es eine unglaubliche Ungerechtigkeit, wenn Personen eine Funktion bekleiden, für die sie gar nicht geeignet sind, und andere Menschen, die ein absoluter Mehrwert wären, die Chance dazu nicht bekommen. Diese Ungerechtigkeit führt meiner Meinung nach heutzutage in vielen Unternehmen zu Aggressionen, mangelnder Nachhaltigkeit und mangelnder Beständigkeit.
SHEconomy versteht sich als Plattform, die beeindruckende Frauen vor den Vorhang holt. Für mich bist du auch eine sehr beeindruckende Frau. Was motiviert dich? Wofür setzt du dich bei SHEconomy besonders ein?
Bei SHEconomy kann ich meine Fähigkeiten in Einklang mit meiner Leidenschaft bringen – das motiviert mich sehr. Ich bin sehr kommunikativ und kann gut sprechen. Ich konnte immer alles verkaufen: von Mozartkugeln über Druckerpatronen bis hin zu E-Learningprogrammen. Verkaufen heißt für mich, meine Kund*innen als Freunde und Partner*innen zu sehen, empathisch zu sein, sie zu servicieren und eine Wohlfühlzone zu schaffen. SHEconomy gibt mir die Möglichkeit, als Senior Media Consultant mit Unternehmen zu arbeiten und mich dafür einzusetzen, dass Frauen die gleichen Chancen erhalten wie Männer. Ich dachte mir, wenn ich selbst nicht Juristin sein konnte, dann will ich dazu beitragen, dass anderen Frauen dieser Karriereweg offensteht. Ich will mit meinen Kund*innen gemeinsam deren individuellen Weg zu mehr Akzeptanz, Parität und Equity im Unternehmen finden.